Freitod - Weblog zum Selbstmord
[mit unsäglich origineller GIF-Animation]
 
Freitag, 29. Juli 2011


Werfel, Cella

Der dritte Mann trat auf uns zu. Es war ein kleiner stämmiger Rotkopf mit blinzelnden Äuglein. Man sah ihm den Priester nur am schwarzen Rock an, zu dem er kurze Touristenhosen mit Wadenstrümpfen trug. Das Skapulier hatte man ihm bei Aufnahme abgenommen, wie uns andern Hemdkragen, Krawatte und Schuhbänder. Das ist in allen Gefängnissen der Brauch, um den Eingekerkerten jedes Werkezug des Selbstmordes zu entziehen. Die menschliche Gesellschaft, die nichts tut, das Leben der Freigehenden zu gewährleisten, setzt in Zucht- und Irrenhäusern alles daran, das Leben der Verlorenen vor Selbstvernichtung zu bewahren. Das ist einer ihrer kopflosen Widersprüche. (Franz Werfel: Cella oder Die Überwinder, S. 141)


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Baum, Menschen im Hotel

"Die Drehtür muß offen bleiben. Der Ausgang muß jederzeit parat sein. Sterben muß man können, wann es einem paßt. Wann man selber will." "Wer will denn sterben? Niemand", sagte Gaigern schnell und voll Überzeugung. "Na-", sagte Otternschlag und schluckte etwas hinunter. Kringelein in seinem Hotelbett murmelte unverständliche Worte unter seinem erschlafften Schnurrbart. "Na - zum Beispiel, sehen Sie mich an", sagte Otternschlag. "Sehense mich genau an. Ich bin ein Selbstmörder, verstehense. Gewöhnlich sieht man Selbstmörder erst nachher, wenn se schon am Gasschlauch genuckelt oder losgeknallt haben. Ich, wie ich hier sitze, bin also ein Selbstmörder vorher, mit einem Wort. Ich bin ein lebender Selbstmörder, eine Rarität, werden Sie zugeben. Eines Tages nehme ich aus dieser Schachtel zehn Ampullen, rein damit in die Vene - und dann bin ich ein toter Selbstmörder. Ich spaziere raus aus der Drehtür, bildlich gesprochen, und Sie können drin sitzen bleiben in der Halle und warten." (Vicki Baum: Menschen im Hotel, S. 253)


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Christa Wolf an B. Reimann

Meinetwegen auch noch einen Satz zu Deiner Andeutung von den gewissen Schränkchen der Ärzte und Chemiker: Du wirst sie nicht brauchen, Brigitte, glaub man. Das Daran-Denken ist mir, wiederum aus anderen Gründen, nicht ganz fremd. Ich werd in anderhalb Monaten vierzig. Mir kommt beinahe vor, als ob man es dann, für die erste Runde, hinter sich hätte. Und bei der zweiten spielt man halt doch wieder mit, denn wer sagt dir, daß es die letzte wäre? Zu leben, und möglichst nicht gar zu sehr gegen den eigenen Strich zu leben, das heißt zu arbeiten und ein paar Leute daran teilhaben zu lassen, ist die einzige Art von Tapferkeit, die ich heute sehe. Mir gefällt sehr, wie Du sie aufbringst. (Christa Wolf, in: Reimann/Wolf: Sei gegrüßt und lebe. Eine Freundschaft in Briefen. 1964-1973)


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Glavinic, Die Arbeit der Nacht

Als er jung war, hatten ihn Selbstmorde von Stars aus Musik und Film vor Rätsel gestellt. Wieso tötete sich jemand, der alles hatte? Wieso brachten sich Menschen um, die Millionen zur Bank trugen, die mit anderen Berühmtheiten Coctailpartys feierten, die mit den bekanntesten und begehrtesten Menschen des Planeten ins Bett gingen? Weil sie einsam waren, lauetet die Antwort, einsam und unglücklich. Wie dumm, hatte er gedacht, deswegen brachte man sich nicht um. (…) Erst später hatte er begriffen, warum sich diese Menschen töteten. Nämlich aus demselben Grund wie die Unberühmten und Armen. Sie konnten sich an sich selbst nicht festhalten. Sie ertrugen es nicht, mit sich allein zu sein, und hatten erkannt, daß das Zusammensein mit anderen das Problem nur leiser drehte, in den Hintergrund rückte, nicht aber löste. Vierungzwanzig Stunden am Tag man selbst zu sein, nie ein anderer, das war in machen Fällen eine Gnade, in anderen ein Urteil. (Thomas Glavinic: Die Arbeit der Nacht)


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Donnerstag, 28. Juli 2011


Jeret Peterson

"... scheitert am Sprung ins Leben" - Gegensätze.


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Sonntag, 24. Juli 2011


Rede eines Selbstmörders kurz vor der Tat aufgesetzt.

Freunde! Ich stehe jetzo vor der Decke im Begriff sie aufzuziehen, um zu sehen ob es hinter derselben ruhiger sein wird als hier. Es ist dieses keine Anwandlung einer tollen Verzweiflung, ich kenne die Kette meiner Tage aus den wenigen Gliedern die ich gelebt habe zu wohl. Ich bin müde weiter zu gehen, hier will ich ganz ersterben oder doch wenigstens über Nacht bleiben. Hier nimm meinen Stoff wieder, Natur, knete ihn in die Masse der Wesen wieder ein, mache einen Busch, eine Wolke, alles was du willst aus mir, auch einen Menschen, aber mich nicht mehr. Dank sei es der Philosophie, daß mich jetzo keine fromme Possen in dem Zug meiner Gedanken stören. Genug ich denke, ich fürchte nichts, gut, also weg mit dem Vorhang!"

Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher B 205/209.


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Freitag, 8. Juli 2011


Textstreusel (1)

Eigentlich kann man das, was einem hier auf der Welt zugemutet wird, doch nur aushalten, wenn man weiß, daß man in jedem Augenblick Schluß machen kann, wie? Das Leben ist eine miserable Sorte von Dasein. (Vicki Baum: Menschen im Hotel)

Wenn alle irdischen Güter, für die wir leben, wenn alle Freuden, die uns das Leben gewährt, Reichtum, Ruhm, Ehren, Macht, uns durch den Tod geraubt werden, haben diese Güter keinerlei Sinn. Wenn das Leben nicht unendlich ist, dann ist es ganz einfach absurd, ist es nicht wert, gelebt zu werden, und man muß sich seiner so schnell wie möglich durch Selbstmord entledigen. (Lew Tolstoj)

Die Unlust weiterzuleben reicht zum Sterbenwollen nicht aus. (Heinz Strunk: Fleckenteufel, S. 212)

... daß in der Morgenzeitung drei Selbstmorde gemeldet worden sind - alle von ehemaligen kleinen Rentnern; alle auf die Lieblingsart der Armen begangen: mit dem offenen Gashahn. (Erich Maria Remarque: Der schwarze Obelisk, S. 81)

Dann löste sich ja eine Stadtbekanntheit seinetwegen in Nichts auf, indem sie den Gashahn wie unabsichtlich, wie aus Zerstreutheit öffnete, wonach sie umfiel und den Tod fand. (Robert Walser: Die Räuber, S. 37)


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Sonntag, 8. Mai 2011


Gunter Sachs

hat sich am Samstag, den 07.05.2011 erschossen / 2.


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Mittwoch, 27. April 2011


"Happiest places have highest suicide rates"

Universitäre Forschung anhand eines Vergleichs der Staaten der USA.


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Mittwoch, 16. März 2011


Hoch dezidierte Betrachtung

Ich möchte auf einen, nach meinem Dafürhalten, grandiosen Text hinweisen. Es handelt sich um die Antrittsvorlesung von Ralf Stoecker, die da lautet: „Ein wirklich ernstes philosophisches Problem - Philosophische Reflexionen über den Suizid“

Er handelt das Thema unter folgenden Prämissen ab:

  1. Muss man Suizid begehen?
  2. Darf man Suizid begehen?
  3. Will man Suizid begehen?
  4. Kann man Suizid begehen?

Absolut lesenswert. Ich hatte bis dahin nichts Ähnliches gelesen. Wer den Link nicht ansieht, wird es nicht bedauern. Wer ihn aber angeklickt hat, weiß, dass er etwas zu bedauern gehabt hätte, wenn er ihn nicht angeklickt hätte. ;-) Der Link:

www.uni-potsdam.de


Montag, 28. Februar 2011


Tiefenhirnstimulation

"Mit Elektroden ins Gehirn: Das Experimentieren an Psychiatriepatienten geht weiter - erfolgreich, wie auf dem AAAS-Kongress in Washington jetzt gezeigt werden sollte.

[...] zwei der zwanzig Patienten hätten Suizid begangen. Ein Zusammenhang zwischen Therapie und den Selbsttötungen sei aber nicht nachweisbar gewesen."

Julia Völker für die FAZ online.


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Montag, 7. Februar 2011


Selbstmord in der Literatur

Das Thema des Freitodes findet man bei dem Schriftsteller Dostojewski nicht selten. Bei ihm steht der Freitod recht oft immer in einem religiösen Kontext.

Angeführt sei z.B. die Erzählung die Sanfte. (Dostojewski schreibt sie kurz nachdem im Oktober 1876 eine junge Näherin mit einer Ikone in den Händen aus dem Fenster sprang.) In der orthodoxen Lehre existiert selbst eine Ikone einer Selbstmörderin. Faktisch also eine heilig gesprochene Selbstmörderin. Es war die Heilige Pelageja. Sie soll die erste verfolgte Christin gewesen sein. Um nicht in heidnische Hände (im doppelten Sinne) zu fallen, suchte sie den Freitod. Man geht davon aus, dass Dostojewskis Sanfte die heilige Pelageja verkörpern soll. Im selben Zuge spielt wohl auch die Jungfräulichkeit eine entscheidende Rolle. Um rein zu bleiben, ist es wohl „in Ordnung“ sich selbst zu töten. Man tötet damit also auch Gott in sich. Somit hat man Gott gerettet und gilt als rein.

Im Roman „Die Dämonen“ gibt es die Episode „Stawrogins Beichte“. Sie handelt von einem Mädchen, das, vergewaltigt durch Stawrogin, sich selbst das Leben nimmt.

Möglich ist, dass Dostojewski bei allen Selbstmorden es immer noch als eine Art Beruhigung empfand, wenn mit einem Suizid Gott vor Schande bewahrt werden konnte. Somit stände Stawrogin nicht nur wegen Vergewaltigung und des "in den Suizid treibens" in Dostojewskis Missgunst, sondern auch noch als verantwortlich für den Tod Gottes eines Menschen. Weiterhin nimmt sich auch im Roman „Die Dämonen“ ein Kirillow das Leben. Dieser will mit seinem Suizid für sich selbst den Beweis erbringen, dass durch seinen Tod Gott nicht existieren kann, da er ansonsten mittels seinem freien Willen nicht über sich selbst bestimmen könnte.

Eine etwas holprige Anmerkung. Ich wollte halt darauf aufmerksam machen, dass sich die Auseinandersetzung mit Dostojewski in Sachen Freitod unter Umständen durchaus lohnen kann.

Bei eventuellem Interesse kann man sich hier näher über Dostojewski und sein Werk informieren: dostojewski.npage.de


Freitag, 4. Februar 2011


Fernhalten.

Willkommen im Affenhaus.


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Geklaut beim Salbader
Geklaut beim Salbader

Hinweis in eigener Sache
Das Weblog Freitod definiert schon mit seinem Namen das Thema, das es enthält: Aspekte des Suizids sollen in gesellschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht erörtert werden. Freitod ist ein kollaboratives Weblog, das allen registrierten Antville-Usern ermöglicht, sich zu beteiligen, indem sie entweder Einträge verfassen oder Kommentare zu den Einträgen schreiben können. Abgrenzend sei gesagt, dass nicht um Sinn und Daseinsberechtigung des Freitodes diskutiert werden soll und dass es sich auch nicht um ein Selbshilfeforum für Gefährdete oder betroffene Angehörigen handelt.

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