Freitod - Weblog zum Selbstmord
[mit unsäglich origineller GIF-Animation]
 


"Sie leiden unheilbar an Parkinson, Herr Vogel. Denken Sie an Selbstmord?"

ist ein Interview mit Hans-Jochen Vogel in der aktuellen Printausgabe des Magazins Stern von Jens König und Jochen Lange überschrieben. Und es gibt einige Antworten, zur Sterbehilfedebatte und zur Frage der Überschrift etwa:

"Nein. Mir macht Sorge, dass Selbstmord aus Verzweiflung oder wegen Schmerzen scheinbar nicht mehr als die radikale Entscheidung eines Einzelnen gesehen wird, sondern als Möglichkeit, ein Problem zu lösen. Davor kann ich nur warnen. Ich sehe die Gefahr, dass daraus ein latenter Druck erwächst, dass Schwerkranke sich aufgefordert fühlen könnten, mit ihrem Selbstmord die Gemeinschaft oder die Familie von einer Last zu befreien.

[...]

Ich bin gegen ärztliche Sterbehilfe. Sterbebegleitung - ja. Aber Sterbehilfe im Sinne einer Tötung auf Verlangen oder ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung - nein. Und ich bin erst recht gegen organisierte oder gar kommerzielle Sterbehilfe. Ein Arzt soll heilen, nicht töten. Die freiwillige Beendigung des Lebens muss ein individueller Vorgang mit Ausnahmecharakter bleiben. Sie darf nicht zu einer allgemeinen verfügbaren Dienstleistung werden. Es entspricht meiner christlichen Überzeugung, dass das Leben in Gottes Hand liegt."



Organisierte Sterbehilfe im Jahr 1993

Zweifelhafter Graubereich - mit prominenten Fürsprechern - eine Geschichte, die auch heute noch nachdenklich machen sollte.

Inge Meysel (die sich übrigens offenbar nicht selbst getötet hat) war in ihrer Auffassung sicherlich genauso allein von lauteren Motiven getragen wie Udo Reiter oder wie es andere prominente Fürsprecher regelmäßig sind.

Letztlich ist es aber eine höchstpersönliche Frage, die jeweils an ein individuelles Schicksal anknüpft, bei dem auch noch das psychische Leiden weder verobjektivierbar noch zeitlich konstant ist. Deshalb liegt die Problematik einer Regelung gerade in einer abstrakten Verallgemeinerung durch Gesetz an sich.



Selbsttötungsvorsatz als Momentaufnahme

"Eine Fülle von Beobachtungen belegen die Tatsache, dass Suizidenten in hohem Maße ambivalent sind. Es gibt suizidale Phasen, die manchmal lange anhalten. Dann sind die Betroffenen vulnerabel. Das gilt auch im Angesicht fortgeschrittener unheilbarer Erkrankung.

Die instabile, Schwankungen unterworfene Situation ist in der Tat ein starkes Argument, um die organisierte Hilfe beim Suizid zu unterbinden, gleich ob das Angebot von Laien oder Ärzten unterbreitet wird.

Es geht [dabei] nicht um eine Bewertung des Suizids als solchem. Wohl aber um ein Veto gegen seine organisierte Förderung. Die gebotene Urteilsenthaltung setzt eine Rhetorik ins Unrecht, die die Assistenz beim Suizid als überfällige Befreiung aus selbstverschuldeter Unmündigkeit rechtfertigen möchte."

Stephan Sahm für faz.net.

Das deckt sich mit der Erkenntnis, dass sich akute Suizidversuche, -taten oder manchmal auch schon -gedanken offenbar häufig bereits dann und dadurch unterbrechen lassen, wenn es gelingt Betroffene in diesen Augenblicken anzusprechen, sie also durch Kommunikation mit einem Außenstehenden und neue Gedanken buchstäblich "abgelenkt" werden können. Die Ausweglosigkeit erscheint im Augenblick des Vollzugs und seiner Vorbereitung offensichtlich als innere "Tatsache" - relativiert sich aber unter Umständen (wieder), wenn es gelingt, eine Situation von einem anderen Standpunkt, am besten einmal gänzlich "neu" oder "von außen" zu betrachten.



Brittany Maynard, 29

Fürsprecherin in eigener Sache - Sterbehilfediskussion in Szene gesetzt (The Brittany Maynard Fund). (dpa bei focus-online oder faz.net).


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"Ärztliche Beihilfe zum Suizid"

Stellungnahme des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands zur aktuellen Diskussion über ein Verbot gewerblicher und organisierter Formen der Beihilfe zum Suizid vom 19.09.2014:

"Der Wunsch, bei schwerer Krankheit sein Leben zu beenden, hat Gründe. Häufig ist es die Angst vor Schmerzen und vor dem Alleinsein...

[---]

Eine ärztliche Beihilfe zum Suizid lehnt der DHPV ausdrücklich ab. [...]

Ärztliche Beihilfe zum Suizid würde, wie auch andere Formen der gewerblichen und organisierten Beihilfe zum Suizid, den Druck auf kranke und alte Menschen erhöhen, anderen nicht zur Last fallen zu wollen. Dies wäre eine Entwicklung, die in einer solidarischen Gesellschaft nicht gewollt sein kann."

(pdf, 3 Seiten)


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"Angst vor der Schnabeltasse" 2

Aus dem Spiegelbericht von Arno Frank über den Sterbehilfetalk bei Günther Jauch am 19.10.2014:

"Allerdings, und das hört man in solchen Talkshows eher selten, gebe es bei der Entscheidung zum Freitod auch finanzielle Aspekte, die ein Vertreter des "Bildungsbürgertums" wie Reiter nicht zu berücksichtigen brauchte: "Die letzten beiden Lebensjahre eines Menschen sind seine teuersten", sagte Müntefering, da gehe schon mal ein Häuschen drauf: "Geld hat auch was mit Ethik zu tun, und Ethik auch mit Geld."

(-> 1).


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"Zum Lebensende fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker"

Ein bemerkenswerter Beitrag zur Sterbehilfedebatte von Oliver Tolmein für das faz-Feuilleton - lesen Sie ihn bis zum Schluss, denn es lohnt sich auch wirtschaftlich.


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"Angst vor der Schnabeltasse"

Aus dem Spiegelbericht von Arno Frank über den Sterbehilfetalk bei Günther Jauch am 19.10.2014:

"Bettina Schöne-Seifert, Professorin für Medizinethik, brachte die komplette Sendung erfreulich resolut auf Kurs: "Wir müssen nur über passive Suizidhilfe reden." Aktive Sterbehilfe sei verboten, aus gutem Grund. Es gebe aber Patienten, die selbst nicht mehr in der Lage seien, ihrem Leiden ein Ende zu setzen.

Derzeit ist die Rechtslage in Deutschland unscharf: Das Töten auf Verlangen, also die aktive Sterbehilfe, steht in Deutschland unter Strafe. Die sogenannte Beihilfe zur Selbsttötung ist straffrei. Nicht verfolgt wird beispielsweise, wenn ein Betroffener eine tödliche Medikamentendosis zu sich nimmt, die ihm von einer anderen Person verschafft wurde.

Problematisch sei weniger der Gesetzgeber als das ärztliche Standesrecht, meinte Schöne-Seifert. Und das ist je nach Bundesland verschieden. Mancherorts droht einem Arzt, der Sterbehilfe leistet, der Verlust der Approbation - das mache die Sache "heikel und zu einer Zumutung für alle Beteiligten". Gefordert sind also ausnahmsweise mal weder "die Politiker" noch "wir alle", sondern die Ärzte."



Udo Reiter II: "Mein Tod gehört mir"

Und "Wer mit seinem Leben abgeschlossen hat, soll sich nicht vor den Zug werfen müssen."

Ein sehr geradliniger Gastbeitrag von Udo Reiter zur Sterbehilfedebatte in der Süddeutschen Zeitung vom 04.01.2014.

Und danach...


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Sterbehilfe für psychisch Kranke?

"Der Sexualstraftäter Frank Van Den Bleeken sitzt seit mehr als 30 Jahren im Gefängnis, wegen mehrfacher Vergewaltigung und Mordes. Er selbst hält sich für psychisch unheilbar krank - und hat sich das Recht auf ärztlich assistierten Suizid erstritten."

[Update 08.01.2015:] Kehrtwende in letzter Minute: "Die Beerdigung war schon organisiert, dann kam alles anders".


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Sterbehilfe

Tagespolitische Meldungen zum Thema bis zurück ins Jahr 2000 finden sich hier chronologisch gesammelt bei spiegel-online.


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Franz Müntefering: "Sterben ist ein Teil des Lebens"

"... die Heroisierung der Selbsttötung ist von Übel. Es geht darum, Liebe zum Leben erfahrbar zu machen und Mut zum Leben zu bewahren, so absurd und verstörend es auch manchmal sein mag...

in einem Kurzinterview zum Thema Sterbehilfe in der Schweriner Volkszeitung (svz.de).


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Palliativmedizin bei Kindern

[...] "Ich bin Palliativmediziner, ich habe die Aufgabe, die verbleibende Lebenszeit des Patienten mit der bestmöglichen Lebensqualität zu füllen. Ich will körperliche und psychische Symptome wie Schmerzen, Angst, Übelkeit lindern. Ich möchte vermitteln, dass der Tod etwas Natürliches ist und dass man lernen muss, ihn zu akzeptieren. Ich will meinen Patienten das sichere Gefühl geben, dass wir bis zum Ende für sie da sind und auch helfen können. Den Satz: „Wir können nichts mehr für Sie tun“, den gibt es in der Palliativmedizin nicht. An der Diskussion rund um die Sterbehilfe stört mich, dass wir über Menschen diskutieren, die man durch eine Spritze von unendlichem Leid erlösen will, das sie vermutlich gar nicht hätten, wenn wir nur die Möglichkeiten der Palliativversorgung richtig nutzen und sie vor allem flächendeckend anbieten würden. Die Palliativmedizin nicht auszubauen, aber dafür über aktive Sterbehilfe nachzudenken, ist geradezu zynisch."

[...]

"Haben Sie die Befürchtung, dass die Palliativversorgung noch schlechter wird, je mehr über aktive Sterbehilfe diskutiert und je häufiger sie erlaubt wird?"

"Davor habe ich Angst. Natürlich ist es im Zweifel einfacher und billiger, einen Menschen „wegzuspritzen“, als ihm beizustehen, und das passt auch besser in unsere Entsorgungsgesellschaft. Leider werden in der öffentlichen Debatte nur die Alternativen diskutiert: Wollen Sie schreckliche Schmerzen haben oder aktive Sterbehilfe? Palliativversorgung hat eine ganz andere Blickrichtung. Wir behandeln nicht Sterbende, sondern Lebende, die bald sterben werden."

Ein Interview von Lucia Schmidt mit Dr. Sven Gottschling, Palliativmediziner für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, hier bei faz.net.


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Geklaut beim Salbader
Geklaut beim Salbader

Hinweis in eigener Sache
Das Weblog Freitod definiert schon mit seinem Namen das Thema, das es enthält: Aspekte des Suizids sollen in gesellschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht erörtert werden. Freitod ist ein kollaboratives Weblog, das allen registrierten Antville-Usern ermöglicht, sich zu beteiligen, indem sie entweder Einträge verfassen oder Kommentare zu den Einträgen schreiben können. Abgrenzend sei gesagt, dass nicht um Sinn und Daseinsberechtigung des Freitodes diskutiert werden soll und dass es sich auch nicht um ein Selbshilfeforum für Gefährdete oder betroffene Angehörigen handelt.

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