Freitod - Weblog zum Selbstmord [mit unsäglich origineller GIF-Animation] |
Viktor Staudt bewirbt derzeit sein Buch "Die Geschichte meines Selbstmords: und wie ich das Leben wiederfand", das gerade in deutscher Sprache erschienen ist, u.a. z.B. hier in der WDR-Talkshow Kölner Treff. Seine Geschichte ist - naturgemäß schon thematisch - tragisch, für die Presse umso mehr ein gefundenes Fressen, als er beim Sprung vor den Zug beide Beine verlor. Seine Beweggründe für das Buch: "Falls nur ein einziger Mensch sich nach der Lektüre dieses Buch entscheidet, Hilfe zu suchen, anstatt Hand an sich zu legen, habe ich mein Ziel erreicht“. Allein, ob ihm das so gelingt, wie er sich das vorstellt, ob das intentional hochgelobte Werk diesem Anspruch gerecht werden kann? Marianne Kestler, die das Buch in einem Kommentar bei Amazon vorab auch inhaltlich zusammengefasst hat, sieht das kritisch. Eine weitere, pseudonyme Kommentatorin fasst Zweifel und Bedenken noch deutlicher: Schöne Worte, aber nicht angebracht: Von "exzellentem Umgang" kann hier keine Rede sein. Eine konkrete Beschreibung der letztendlichen Lösung erfolgt gerade mal ab Position 95% des Buchs (Kindle lässt grüßen ...): Als Viktor bei einer Hausärztin endlich ein für ihn wirksames Antidepressivum verschrieben bekam. Auch die Diagnose Borderline, die angeblich für die Depressionen mitursächlich ist, kommt in meinen Augen ein klein wenig vage daher - Staudt zeigt zwar immer wieder Teile davon, aber tun wir das nicht alle? Gut: Das Buch sollte natürlich nicht zur Fremddiagnose oder Spekulation einladen. Letzten Endes dient eine Diagnose ja auch nur dazu, einen geeigneten Behandlungsplan zu entwerfen. Dieser fehlt aber irgendwie: Wie's psychotherapeutisch weitergeht, etc., da findet man wenig bis gar nichts. Fast schon zynisch mutet deshalb der Schluss-Satz des Hauptwerks an, in dem der Autor über sich selbst schreibt: "Und er lebte noch lange, glücklich und zufrieden." Kurzum: Das Buch ist wirklich toll geschrieben und erzählt die Geschichte eines Mannes, der trotz seiner zahlreichen inneren Dämonen weitaus mehr Kraft und Energie hat, als er wohl selbst merkt. Man möchte ihm zum Schluss hin fast schon Mut zusprechen und von Herzen alles Gute für seinen weiteren Lebensweg wünschen - verdient hat er es! Für Menschen, die in einer akuten Krise stecken und sich mit suizidalen Gedanken herumschlagen, betrachte ich das Buch [aber] als völlig kontraindiziert... Die Lektüre ist jedenfalls und sicherlich keine "Aufbauliteratur", das "neue" Leben vielleicht für den Autor eine Besserung gegenüber seiner früheren, chronischen Suizidalität. Gesunde Lebensfreude sieht meiner Meinung nach gleichwohl anders aus. Es verbleibt ein wenig der Eindruck: "Nimm rechtzeitig das richtige Antidepressivum und das Problem ist im Wesentlichen gelöst..." - dabei hat die Aufarbeitung durch den Autor jedenfalls in literarischer Form wohl tatsächlich erst begonnen: Nach seiner Antwort auf diese kritische Anmerkung [die offenbar zwischenzeitlich gelöscht ist: Stand 15.11.2014, dazu die Kommentare unten] ist eine Fortsetzung offenbar bereits in Arbeit.
simons,
29.10.14, 06:41 ,
Literaturhinweise
Viktor Staudt,
14. November 2014 um 20:12:43 MEZ
kurze Rueckmeldung von dem Autor Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Nur eine Frage: Sie erwähnen eine Fortsetzung und dass ich davon gesprochen hätte, in einer Antwort auf eine kritische Anmerkung. Diese Anmerkung aber, kann ich nicht finden: der Link funktioniert nicht. Vielleicht geben Sie mir kurz Bescheid, um welche kritische Anmerkung es hier geht. Übrigens beendet die Frau Marianne Kestler, hier von Ihnen ausführlich zitiert, ihren Kommentar damit, dass sie schreibt: 'Viktors Appell lautet eher: JETZT HÖRT UNS DOCH ENDLICH MAL ZU! Und das ist ihm exzellent gelungen.' Vielen Dank.
simons,
15. November 2014 um 11:20:38 MEZ
Nehmen Sie es mir nicht übel, aber das ist jetzt schon eigenartig: Ihr Name hier ist offensichtlich mit dem Facebook-Profil von Viktor Staudt verbunden. Sie schreiben zudem so, als wären Sie der Autor Viktor Staudt. Darf ich also annehmen, dass Sie tatsächlich Viktor Staudt sind? Vermutlich werden Sie mir dazu antworten, dass das wohl alles nur rhetorische Fragen sind, und ich würde das an sich gerne bestätigen. Nun, bei dem oben verlinkten Kommentar, der heute nicht mehr aufzufinden ist, war der Name des genannten Kommentierenden auch "Viktor Staudt", und er wurde auch auf Ihre Seite verlinkt. Er hat sich auch dort als "Autor des Werks" vorgestellt und ebenso sachliche Anmerkungen zu Ihrem Werk gemacht, wie sie in dieser Form vom Autor zu erwarten waren. Was spricht danach dagegen, dass es sich um dieselbe Person handelt? Gleichwohl könnte natürlich auch jene Anmerkung von jemand anderem stammen - aber wieso könnte und sollte ich das annehmen? Weil sie gelöscht wurde? Auf wessen Veranlassung? Es müsste dann eigentlich der Autor Viktor Staudt gewesen sein, der die Löschung veranlasst hat - weil ja wenigstens der Verfasser der Anmerkung über seinen Namen auf dessen Seite verlinkt hatte und er über die Referrer Kenntnis hiervon erlangte. Mit anderen Worten: der "echte" Viktor Staudt müsste den genannten Kommentar kennen - entweder, weil er ihn selbst verfasst, oder weil er dessen Löschung - weil nicht von ihm stammend - veranlasst hat. Freilich käme auch noch eine dritte Variante in Betracht: Vielleicht wurde die gesamte Anmerkung auch nur gelöscht, weil sie die einzige "Zwei-Sterne-Bewertung" zu diesem Buch bei Amazon war und das Buch sonst (und heute nur noch) 4- oder 5-Sterne-Bewertungen ausweist? Honi soit qui mal y pense? Nur zu Dokumentationszwecken hier der Screenshot: Ob Sie eine Fortsetzung planen oder nicht, ist mir, ehrlich gesagt, relativ gleichgültig, denn es ändert an meiner Meinung nichts: Das Buch mag für Außenstehende Einblicke in das Seelenleben des Autors geben, die sie so und unmittelbar (glücklicherweise) nicht selbst erleben können und müssen. Tatsächlich depressive und suizidale Menschen laufen aber meines Erachtens Gefahr, sich nach der Lektüre in Ihrer Schilderung allzu sehr wiederzufinden und den letzten Schritt auf die Gleise schon einmal vorab recht detailliert durchzumachen. Gibt es den "Werther-Effekt" - und dafür spricht nach aktuellem Forschungsstand einiges - dann könnte der Text gerade zur Nachahmung einladen, also insoweit kontraproduktiv wirken. Das Lob über die Aufklärung Außenstehender und eine positive Intention im Übrigen schließt deshalb Kritik bezüglich potentieller Risiken für unmittelbar Betroffene nicht aus. Unabhängig davon haben Sie sicherlich gemerkt, dass Ihnen persönlich alle Rezensenten - ungeachtet positiver wie negativer Kritik - für die Zukunft alles Gute wünschen. Dem schließe ich mich gerne an.
Viktor Staudt,
19. November 2014 um 21:48:59 MEZ
kurze Rueckmeldung von dem Autor II 'Freilich käme auch noch eine dritte Variante in Betracht: ... Honi soit qui mal y pense?' Jetzt aber muten Sie mir wirklich zu viel Einfluß zu, ha, ha! 'Gibt es den "Werther-Effekt" - und dafür spricht nach aktuellem Forschungsstand einiges - ' Schade, daß Sie in diesem Zusammenhang das Papageno Effekt außer Betracht lassen. Oder anders gesagt: würde das Buch aufhören sofort nach der Beschreibung des Suizid Versuches, würde ich voll und ganz zustimmen. Aber darum geht's hier gerade: es geht weiter. Das Leben also, geht weiter. Und bzgl. den Kritik/Kommentar habe ich mich tatsächlich geirrt. Jetzt wenn ich's sehe, weiß ich wieder, warum es ging. Ich habe dermaße viele Film/TV-Aufnahmen/Interviews hinter mir - und nicht nur in Deutschland - dass es wohl völlig durch meinen Kopf gegangen ist. Tut mir Leid! Danke nochmals für Ihre Rückmeldung.
simons,
26. November 2014 um 08:44:42 MEZ
Ich habe nicht behauptet, dass Sie für die Entnahme der kritischen Bewertung bei Amazon verantwortlich sind oder waren. Und ich weiß natürlich nicht, ob vielleicht sogar die Autorin selbst ihre Kritik zurückzog. Aber es gäbe bereits offensichtlich naheliegendere Interessen anderer Beteiligter, die "Honi soit" durchaus rechtfertigten. Ich habe die Studie der Uni Wien zum "Papageno-Effekt" nicht gelesen. Aber sie erscheint mir schon in diesem erstaufgerufenen Pressebericht in aller Kürze recht plausibel zusammengefasst zu sein; zu "Papageno" heißt es da: "Berichte über Betroffene, die Krisensituationen konstruktiv und ohne suizidales Verhalten bewältigen konnten, waren mit einer Senkung der Suizidraten in der Woche nach Erscheinen des Artikels assoziiert". Das kann ich gut nachvollziehen (obgleich auch das offenbar bereits umstritten ist, weil nach den Kritikern wohl Suizidgefährdete letztendlich an Defiziten in der Lösung eigener Probleme scheitern, die durch die Nachahmung des Vorbilds nicht zwangsläufig gelöst werden, ggf. also nur vorübergehend Entlastung bringen). Ich glaube allerdings, dass Ihr Buch im Wesentlichen schon nicht die Beschreibung einer "Krisenbewältigung ohne suizidales Verhalten" ist; mag ja sein, dass Ihre Geschichte ein verhältnismäßig "gutes Ende" genommen hat (und hoffentlich weiter nehmen wird), und Sie darüber auch am Schluss berichten; insoweit ist es wahrscheinlich auch die Bewältigung einer Krise nach dem Selbstmordversuch, die nicht in einem weiteren endete. Aber der Sprung vor den Zug, den Sie entgegen aller Erwartung und Erfahrung überlebt haben, und von dem das Buch in der Hauptsache handelt, ist trotzdem und offensichtlich kein Problemlösungsversuch durch "nichtsuizidales Verhalten", der als Vorbild für eine Krisenbewältigung taugt. In der Sache ignorieren Sie insoweit den Werther-Effekt in der Erwartung, dass die nachfolgende Bewältigung der Folgen Ihres Suizidversuchs als Vorbild wirken kann. Sie können das als "Papageno-Effekt" bezeichnen, es ändert aber nichts an der vorangegangenen dramatischen Suizidschilderung, die diesen Effekt sicher nicht haben kann und wird. Ich wiederhole mich inzwischen, und lasse es deshalb hier und zukünftig lieber dabei, wünsche Ihnen aber unverändert alles Gute auf Ihrem Weg.
Viktor Staudt,
27. November 2014 um 13:37:12 MEZ
Papageno vs Werther Erlauben Sie mir noch einmal eine kurze Rückmeldung. Sie schreiben: 'Ich habe die Studie der Uni Wien zum "Papageno-Effekt" nicht gelesen.' und '...ändert aber nichts an der vorangegangenen dramatischen Suizidschilderung, die diesen (Papageno) Effekt sicher nicht haben kann und wird.' Es kann aber nur eins von beiden sein. Anders gesagt: Sie können, dürfen sogar nicht urteilen über einen psychologischen Effekt, wenn Sie die Studie dazu nicht kennen. Dagegenüber steht die Aussage vom Prof. Dr. Siegfried Kasper, Professor für Psychiatrie und Vorstand der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Wien, der sagt: 'Ein wichtiges Buch.' Und bei allem Respekt: als Laie würde ich die Aussage des Professors bevorzugen.
simons,
27. November 2014 um 16:36:25 MEZ
Machen Sie das. Und vielleicht sprechen Sie den Herrn Professor gelegentlich auch darauf an, ob er nicht der Einfachheit halber den Papageno-Effekt anhand des Erscheinungstermins und der Verkaufszahlen Ihres Buchs durch einen Mitarbeiter überprüfen lässt. Das wäre wohl die geradlinigste Auflösung der Frage und gegebenenfalls zugleich die beste Bestätigung für Ihre These. |
Geklaut beim Salbader
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