Freitod - Weblog zum Selbstmord [mit unsäglich origineller GIF-Animation] |
Balzac, Evastochter Während der letzten Tage, die über der Verkündung des Urteils, dem Erlaß und der Veröffentlichung des Haftbefehls hingingen, trug Raoul überall ungewollt die kalte, finstere Miene zur Schau, die die Beobachter an allen feststellen können, die dem Selbstmord bestimmt sind oder ihn planen. Die düsteren Gedanken, denen sie nachhängen, drücken ihrer Stirn graue, verschwommene Töne auf; ihr Lächeln hat etwas Fatalistisches, ihre Bewegungen sind gespreizt. Diese Unglücklichen scheinen die goldenen Früchte des Lebens bis zur Schale aussaugen zu wollen; ihre Blicke richten sich bei jeder Gelegenheit aufs Herz; sie hören in den Lüften ihr Grabgeläut; sie sind geistesabwesend. (Honore de Balzac: Eine Evastochter)
Dostoevskij,
19.07.06, 10:29 ,
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Brandstetter, Über den grünen... Damals haben sich in Pichl einige Menschen umgebracht, und ich erinnere mich an eine sehr ernste Predigt des Pfarrers, in der er nicht nur auf das Hochaltarblatt hinwies, das den Tod und die Erhöhung der Heiligen zeigt, die in Gott sterben, sondern auch auf das Bild über dem rechten Seitenaltar, das das Fegefeuer darstellt und die auf die Erlösung Wartenden in einem brennenden Feuer veranschaulicht... Hoffen wir zu Gott, sagte der Pfarrer, daß Krankheit, geistige Umnachtung und Sinnesverwirrung diejenigen, die sich selbst gerichtet haben, entschuldigen und vor dem ewigen Tode bewahren mögen. Mir machte diese Krankheit, von der der Pfarrer sprach und die zu diesem Tod führt, als Kinde die größte Angst, so sehr, daß diese Angst selbst allmählich zur Krankheit wurde und zur Krise führte. Verkanntsein und Krankheit erfuhr ich auch aus meinen Künstlerbiographien als jenen Preis, der für ein besonders künstlerisches Lebenswerk bezahlt werden muß. (Alois Brandstetter: Über den grünen Klee der Kindheit, S. 95)
Dostoevskij,
24.06.06, 08:15 ,
Belletristik
Curtin, Club der Weinhachtshasser Jedes Jahr sagten sie es wieder, die Seelsorgestellen für Selbstmordgefährdete: "Die Zahl steigt." Es war ihre betriebsamste Zeit. Sie richtete Appelle an die Leute. Schauen Sie nach älteren Nachbarn, warten Sie nicht, bis sich die Milchflaschen vor der Tür ansammeln, kümmern Sie sich darum, daß sich jemand an Weihnachten umbringt. Wir können Weihnachten ja nicht einfach abschaffen, nur um ein Menschenleben zu retten. Halten Sie also an Weihnachten Ihre Augen offen, das lehrt uns die Erfahrung. (Michael Curtin: Der Club der Weihnachtshasser, S. 323)
Dostoevskij,
14.06.06, 10:40 ,
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Raabe, Pfisters Mühle Ohne dieses Mädchen wird mir das Resultat meines Lebens so stinkend, so widerwärtig, so über alle Maßen abgeschmackt sein, daß mir nichts übrig bliebe, als eines schönen Morgens mich mittellos wie Papa Lippoldes und seelenlos wie seine sämtlichen tragischen Helden im fünften Akt in Monaco an einem Öl- oder Lorbeerbaum hängend oder an der Riviera mit 'nichts im Herzen als einer Kugel' finden zu lassen. (Wilhelm Raabe: Pfisters Mühle, S. 153)
Dostoevskij,
10.06.06, 00:08 ,
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Hesse, Der Dichter Er überlegte sich nochmals alle früher entworfenen Pläne. Eine gewisse Möglichkeit hatten nur zwei davon: Die Rückkehr in das Milieu, das er sich jahrelang konsequent und eisig entfremdet hatte, oder die endgültige Entfremdung auf die eigene Gesellschaft. Irgendwo, etwa in Florenz, eine Wohnung mieten oder ein Haus bauen, viel reisen, seine Schöpfungen entweder verborgen halten oder einem Verleger übergeben. Das Dritte wäre der Revolver oder die Gletscherspalte im Hochgebirge, aber Martin hatte sich den Gedanken des Selbstmords immer mit Strenge ferngehalten, vielleicht im instinktiven Bewußtsein, daß seinem ohnehin verarmten Leben dieser Hintergedanke auch den letzten Glanz, seinen unbeugsamen Stolz, rauben würde. Auch jetzt gewann dieser Gedanke nicht Gewalt über ihn. (Hermann Hesse: Der Dichter. Ein Buch der Sehnsucht)
Dostoevskij,
09.06.06, 10:19 ,
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Zweig, Amok Bitte, bemühen Sie sich nicht ... das einzige Menschenrecht, das einem bleibt, ist doch: zu krepieren, wie man will ... und dabei ungeschoren zu bleiben von fremder Hilfe. [Stefan Zweig: Amok (1922)]
katasta,
08.06.06, 23:44 ,
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Keun, Nach Mitternacht Eine große, heitere deutsche Familienfeier wird morgen stattfinden. Nur der siebzigjährige Herr Küppers wird nicht dabeisein. Da der Mensch sich alle sieben Jahre verändert, hat er sich entschlossen, noch heute leise und still fortzuwandern. Mit ihm wird seine Rente wandern, die als einziges von seinen Kindern geliebt wurde. Er ist heute abend mit Algin bekannt geworden. Denn Algin war zutraulich und sehr betrunken. Er wollte sich umbringen, und vorher wollte er noch einen anderen Menschen umbringen. So hatte er es sich in den Kopf gesetzt. Mich wundert's ja nicht mehr, wenn Menschen verrückt und unglücklich sind. Mich wundert's höchstens noch, wenn sie normale Menschen sind. Der Algin wollte irgendeinen Menschen umbringen, der schlechter sei als er selbst, dümmer oder minderwertiger. Er sagt, er habe nach diesem Menschen gesucht, ihn aber nicht gefunden. Wer entschlossen ist zu sterben, hat große Macht, und Algin lebte stundenlang berauscht von dem Gefühl dieser Macht und nebenbei berauscht von Wein auf leerem Magen. (Irmgard Keun: Nach Mitternacht, S. 136)
Dostoevskij,
02.06.06, 19:58 ,
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Heijden, Fallende Eltern "Wenn sie auch die am wenigsten dringliche zu sein scheint... von den dreien ist sie trotzdem die größte und wichtigste... und die unabwendbarste... ja, ja, faßlichste und ungewisseste Gewißheit. Weil sie in fast schon irritierender Weise unklar ist in bezug auf das Wann! ... das Wo" ... das Wie! ... das Warum!" "Wo, wann, wie, warum... Um derartige Unklarheiten einer Klarheit zuzuführen, brauche ich nur Selbstmord zu begehen. Dann habe ich Ort, Zeit, Methode und Motiv selbst bestimmt. Hab ich recht oder nicht?" "Du bluffst! Scheinbar einer Klarheit zugeführt... vermeintlich selbst bestimmt... Hör zu. Ich kann mich nicht im Jahr 2197 umbringen. Und genausowenig im Jahr 1248. Ich kann mich nicht ertränken in dem, was mittlerweile Nordostpolder heißt, es sei denn, in einer dort stehenden Badewanne, und ich kann mir auch nícht in Niederländisch-Ostindien eine Kugel in den Kopf jagen. Und um mich in Danzig zu erhängen, muß ich derzeit nach Polen. Umgekehrt gilt, daß ich zu Cäsars Zeiten nicht das Auspuffrohr eines Autos in den Mund hätte nehmen können. Und am Ende des nächsten Jahrhunderts könnte ich nicht mehr vom Eiffelturm springen, weil der bis dahin längst in Grund und Boden gerostet ist... Und was das Motiv anbelangt, Albert... ein Anfall von Schwermut, eine schmerzliche Diagnose vom Facharzt, ein Korb, den man bekommen hat, ein Konkurs, ungünstige Börsennachrichten oder eine unglückliche Jugend... all das gibt noch keine Antwort auf die Frage, warum ein Mensch, nachdem er auf die Welt gekommen ist, sterben muß. So, jetzt du, und dann ich wieder." (A.Th.F. van der Heijden: Fallende Eltern, S. 455)
Dostoevskij,
09.05.06, 09:41 ,
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Leiris, Das Band Da er den Boden verlor, vor Anspannung nicht mehr konnte und spürte, wenn es so weiterginge, würde nicht mehr er selber sterben, sondern jemand, der keine Ähnlichkeit mehr mit ihm hätte, machte er eines Abends in der Jahreszeit, deren Tage nicht erlöschen zu wollen scheinen, von sich aus den großen Sprung, der ihn sich selber entriß. (Michel Leiris, Das Band am Hals der Olympia, S. 284) (Via memo projekt)
Dostoevskij,
01.05.06, 06:33 ,
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Berg, Ein paar Leute... (2) Vielleicht ist die Liebe die letzte Idee in diesem Jahrtausend. Das Letzte, was wir noch nicht hingekriegt haben. Etwas zum dran glauben. Vielleicht bin ich deshalb so dahinter her. Wenn wir alle Pech haben, fängt ein neues Jahrtausend an, und wir merken, daß auch diese Idee nicht zum Dranglauben taugt. Weil sie Illusion ist, wie alles andere. Wie Revolution, Peace und so was. Vielleicht stehen wir dann da und machen kollektiven Selbstmord, weil, ohne an was zu glauben, lohnt das Leben nicht mehr. Vielleicht erlebt die Menschheit eine letzte, große Erleuchtung, bei diesem Selbstmord. Der müßte überall auf der Welt gleichzeitig passieren. Also, unter Berücksichtigung der zeitzonen. Überall, auf der Erde in der gleichen Minute. Vielleicht hören wir dann die Erde erleichtert auflachen, beim Gehen. (Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot, S. 154)
Dostoevskij,
07.04.06, 01:33 ,
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Spark, In den Augen... "Angenommen", sagte Billy, der sich ein Brot dick mit Apfelscheiben belegt hatte und nun hineinbiß, "er stürzt sich aus dem Fenster?" "Was?" "Begeht Selbstmord. Ich sage ja nur: angenommen. Er könnte sich doch aus dem Fenster stürzen." "Hat er davon gesprochen." "Ja." Frederick hatte dies und ähnliches ihr gegenüber viele Male geäußert. Sie hatte es vergessen, wie man einen bösen Traum vergißt, wenn es irgend fertigbringt- nicht immer weigert sich der Traum, zu verschwinden. Jetzt erinnerte sie sich an Fredericks Ausspruch: "Vielleicht stürze ich mich aus dem Fenster und mache Schluß." Sie hatte nie darauf geantwortet. Die Worte hatten sie erschreckt, und dann hatte sie sie vergessen. Sie sagte: "Er meint es nicht im Ernst. Das tun sie nie." "Tun sie nie?" fragte Billy. (Muriel Spark: In den Augen der Öffentlichkeit, S. 42)
Dostoevskij,
31.03.06, 11:06 ,
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Berg, Ein paar Leute... (1) Helge läuft durch die Stadt und fühlt nichts. Seine Augen sehen nichts, seine Nase riecht nichts und sein Bauch hat keinen Hunger. Er läuft herum und schleppt sein versautes Leben hinter sich her. Abends sitzt Helge in seinem kleinen Pensionszimmer. Das zum Hof hinausgeht und wirklich häßlich ist und überlegt, wie er sich umbringen könnte. Er fände es ziemlich gut, wenn die Decke auf ihn herunterstürzen würde, aber mit dem Kopf gegen die Decke zu springen ist eindeutig zuviel im Moment. Helge wünschte, er hätte ein ordentliches Problem. Eine Krankheit, einen Ruin, einen Menschen, der ihn betrogen hat. Und nicht so eine Problemsoße, wie er hat. Sein Vater hat das, woran Helge sterben will, immer hausgemachte oder selbstgemachte Probleme genannt. Und die haben eigentlich nur Weiber. Und die sind nicht ernst zu nehmen. So hat Helge das auch immer gesehn. Und nie hat er über sich nachgedacht oder was er eigentlich will und nicht will, und jetzt sitzt er hier und will sterben und ist selbst dafür zu blöd. In sich hat er ein Gewirr von ganz vielen Problemknäueln und findet von keinem Anfang und Ende. Immer ganz kurz hat er so ein Ende: Ich mag mich nicht, ich kann nichts, wo ist der Sinn, ich liebe nicht, und dann sind die Enden auch schon wieder weg, ehe er sie richtig zu greifen bekommt. Der Helge. Schön blöd. Sitzt er jetzt in Italien rum und ist zu doof zum Sterben. Helge beschließt, sich heute wieder nicht umzubringen, sondern unten in der Bar noch was zu trinken. Und wie er so die Treppen runtergeht, denkt sich Helge, ob man sich eigentlich auch tottrinken kann. Und wenn ja, wie lange das wohl braucht. (Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot, S. 84)
Dostoevskij,
24.03.06, 09:54 ,
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Schlemm Schlemm ist die Chronik eines angekündigten Todes. Der Autor Nicola Bardola verarbeitet den geplanten Doppelselbstmord seiner Eltern und webt eine Geschichte um ihn herum. Das arte-Kulturmagazin Metropolis war beim Autor zu Besuch (Heute um 18.05 auf arte).
Dostoevskij,
26.02.06, 07:39 ,
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Geklaut beim Salbader
Hinweis in eigener Sache Das Weblog Freitod definiert schon mit seinem Namen das Thema, das es enthält: Aspekte des Suizids sollen in gesellschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht erörtert werden. Freitod ist ein kollaboratives Weblog, das allen registrierten Antville-Usern ermöglicht, sich zu beteiligen, indem sie entweder Einträge verfassen oder Kommentare zu den Einträgen schreiben können. Abgrenzend sei gesagt, dass nicht um Sinn und Daseinsberechtigung des Freitodes diskutiert werden soll und dass es sich auch nicht um ein Selbshilfeforum für Gefährdete oder betroffene Angehörigen handelt. Suchen Sie Erste Hilfe, ob selbst oder für eine Freundin oder einen Freund dann probieren Sie diesen Link oder diesen Link (Österreich) aus oder diesen pragmatischen Hinweis: "Nur nicht heute."
Online seit 8208Tagen
Zuletzt aktualisiert: 20.05.2024, 20:24 Uhr Amok
Anlass Antidepressiva Belletristik Beteiligung Cartoon und Comic Corona darüber reden Depressionen Drumherum Ehre und Scham Einsamkeit Erweiterter Suizid Es (heute) nicht tun Familiendramen Film Galgenhumor Gewalt Hilfe Hilferufe Hinterbleiben In eigener Sache Klinik Kultur Kunst Kuriosa Literaturhinweise Lyrik Manager Massenselbstmord Menschen Musik off topic Palliativmedizin Personen - historische Persönlichkeiten Prominente Prophylaxe Radio Sagen und Mythen Selbstmordattentate Statistik Statistik, Anlass Sterbehilfe Sterben und Tod Stimmungswechsel Stress und Leistungsdruck Suizid am Arbeitsplatz Suizid im Alter Suizid im Gefängnis Links: Stiftung Deutsche Depressionshilfe Wikipedia "Suizid" Zuletzt geändert
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jetzt einmal festhalten: ein Suizid geschieht entweder geplant oder im...
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Künstler in Coronazeiten Das letzte
Mal, als ich Marion (Name geändert) sah, hatte sie ihre...
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1964 hielt sich Konrad Bayer des Öfteren bei Padhi Frieberger...
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Zum Schutzbedürfnis von suizidgefährdeten Patienten
und seinen Grenzen Leitsatz eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Dresden: "Bei...
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Bov Bjerg, Serpentinen "Um was
geht es? Er sei ausgewandert, im Jahr 1900. Habe Frau...
by simons (03.02.22, 12:15)
Pandemie & Verschwörung "Wenn du
dich impfen läßt, begehe ich Selbstmord." Veritas, eine Beratungsstelle für...
by Dostoevskij (18.01.22, 19:13)
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