Freitod - Weblog zum Selbstmord [mit unsäglich origineller GIF-Animation] |
Wondratschek, Mozarts Friseur Wo eigentlich haben Sie Ihr Können gelernt? wollte er wissen. In Triest. Eine Antwort, die den schwerkranken, immer noch aber geistesscharfen Schriftsteller amüsierte. Triest war die Lieblingsstadt aller Selbstmörder. In keiner Stadt war Selbstmord so naheliegend, so vernünftig. Hätte ich Selbstmord begehen wollen, wäre ich an die Adria gereist. Überall ist der Selbstmord eine Qual, dort in Triest, das las ich immer wieder in den Zeitungen, nicht. Sie können von Glück sagen, daß Sie Triest entronnen sind, unbeschadet. Ich war einundzwanzig, stellte der Friseur klar. Ich hatte Übergewicht. Ich frage mich, in welche Stadt es die Selbstmörder heute zieht. New York, Tokio, Passau? Nach Wien jedenfalls nicht mehr. Es lebt sich in Wien wieder länger. Leichen sind sie, die Wiener, nur sterben tun sie nicht. Der Selbstmord ist hier nicht mehr in Mode. Da fehlt es an Inspiration. Es fehlt Wien an Inspiration zur Verzweiflung. Man tut nur so. Man macht es sich in der Verzweiflung mittlerweile bequem. Die Österreicher haben Triest krank gemacht und haben es dann zurückgelassen, noch kränker. Österreich hat seine Selbstmordrate exportiert, nach Triest. Danach ging der Export nach Ungarn, nach Budapest. Der Selbstmord war dann eine rein ungarische Angelegenheit. Es war nicht Rußland, es war Ungarn. Es war Wien, aber nie Rußland. Dort sterben die Menschen an allem anderen, nicht an Selbstmord. Sie trinken sich zu Tode und rinken danach einfach weiter, als sei nichts geschehen. Sie tun das seit Jahrhunderten. Bin ich fertig? (Wolf Wondratschek: Mozarts Friseur, S. 99f.)
Dostoevskij,
24.05.08, 09:02 ,
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Hamsun, das letzte Kapitel Wer sich erschießt, um sich an einer Frau zu rächen, straft ja nur sich selber. Es mag vielleicht im Augenblick einen kleinen Ruck in der Dame geben, aber kurz darauf ist es ihr gleichgültig, sie ißt und trinkt, denkt daran, ob ihr Haar wuschelig ist, denkt an ihren Putz. Und nach einiger Zeit wird sie sogar ein Gefühl von Stolz haben, weil man sie eines Revolverschusses für wert befunden hat, sie kommt sich selber interessant vor, weil sich jemand ihrentwegen erschossen hat, sie prahlt damit. Ja, verstehen Sie mich nicht falsch, ich spreche nicht von einer bestimmten Frau, sondern von Frauen im allgemeinen. (Knut Hamsun: Das letzte Kapitel, S. 547)
Dostoevskij,
20.10.07, 12:11 ,
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Nachträglich Wie waren wir auf das Thema gekommen? Ali, ein junger, schlechter Poet, hatte sich umgebracht, infolge eines Selbsterkenntnisschocks. In seinem 87 Seiten langen Abschiedsbrief brachte er eine Wendung unter, die ihm besonders gefallen haben muß, sie wurde ein dutzendmal wiederholt: "Hiermit treibe ich mich nachträglich ab!" (Helmut Krausser: Die Zerstörung der europäischen Städte, S. 109)
Dostoevskij,
26.08.07, 21:10 ,
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Lange, Tagebuch Der Selbstmord entzieht sich der moralischen Wertung. Er ist die freie Entscheidung jedes einzelnen, und eine Gesellschaft, die täglich auf verschiedene Arten Menschen umbringt, hat am allerwenigsten das Recht, ihm diese Entscheidung streitig zu machen. Der Intellekt kann die Tatsache des Lebens entweder unerträglich finden oder vor seiner Vergänglichkeit erschrecken. Pascal, der vor der Gewißtheit seines Todes erschrak, und der Lebensmüde, der sich in die Tiefe zu stürzen wünscht, überschauen den Gipfel ihrer Existenz. Sie gelten als verwirrt. Aber Pascal hat zu Recht darauf hingewiesen, daß jenen, denen die die Phantasie zu ihrem Tode fehlt und die im täglichen Einerlei ihrer Zerstreuung ein Genüge finden, die eigentlich Wahnsinnigen sind. Am glücklichsten aber sind jene, denen die Zerstreuung aus Einsicht gelingt und die, weil sie die Konsequenzen ihres Verstandes fürchten, auf jede Handhabung eben dieses Verstandes verzichten. Es ist der Wille zur Dummheit. Diese höchste Leistung des Intellekts kommt nie zum Ziel, aber solange der Wille andauert, sieht der Intelligente immer noch die Möglichkeit zu leben. (Hartmut Lange: Tagebuch eines Melancholikers, S. 40)
Dostoevskij,
04.08.07, 16:50 ,
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Johnson, Zwei Ansichten Die D. vergaß sich nur einmal, als sie an einem Besuchstag in ein Gespräch mit einem Patienten hineinhörte. Der Vater des Kranken erzählte in beiläufigem, überhörbarem Ton etwas von den Leichenschauhäusern der Oststadt, die von Selbstmorden über die Platzzahl hinaus gefüllt seien. - Und das sind nur die geglückten: fügte er hinzu. (Uwe Johnson: Zwei Ansichten, S. 61)
Dostoevskij,
27.07.07, 11:43 ,
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Krausser, UC "Sie behaupten, Sie haben alles erreicht. Das hört man selten aus einem Mund von kaum vierzig Jahren. Könnte es sein, daß die Phänomene, mit denen Sie kämpfen, Symptome eines Lebensüberdrusses sind? Sind Ihnen Gedanken wie: Ich kenne alles, es ist mir langweilig. Eigentlich könnte jetzt alles zuende sein, es wiederholt sich höchstens etwas - fremd? Haben Sie sich schon mal mit Selbstmordgedanken befaßt?" "Theoretisch, ja. So wie man in ein Flugzeug einsteigt und sich denkt: Was geht der Welt verloren, wenn es abstürzt? Kleinigkeiten, Krimskrams. Das Wesentliche habe ich geschafft. Werde ich schreien, wenn das Flugzeug abstürzt? Nein. Solche Gedanken. Aber ich liebe das Leben zu sehr, um an einen aktiven Suizid zu denken oder etwas Ähnliches heraufzubeschwören." (Helmut Krausser: UC, S. 306)
Dostoevskij,
27.06.07, 09:03 ,
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Cunningham, Stunden (2) "Wir führen unser Leben, verrichten unsere Tätigkeiten, und dann schlafen wir — so einfach und so gewöhnlich ist das. Ein paar springen aus dem Fenster, ertränken sich oder nehmen Tabletten; ein paar mehr sterben bei Unfällen; und die meisten von uns, die breite Masse, werden langsam von irgendeiner Krankheit verzehrt oder, wenn wir großes Glück haben, vom Zahn der Zeit. Und es gibt nur diesen einen Trost: eine Stunde hie und da, in der es uns wider alle Wahrscheinlichkeit und Erwartung so vorkommt, als schäume unser Leben über und schenke uns alles, was wir uns je vorgestellt haben, obgleich jeder (...) weiß, daß auf diese Stunden unausweichlich andere folgen werden, die weitaus dunkler sind und schwerer." (Michael Cunningham, Die Stunden, S. 217)
Dostoevskij,
30.05.07, 21:06 ,
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Cunningham, Stunden (1) "Es könnte, denkt sie, zutiefst tröstlich sein; es könnte sich so befreiend anfühlen: einfach wegzugehen. Allen zu sagen: Ich habe es nicht geschafft, ihr hattet keine Ahnung; ich wollte es nicht mehr versuchen. Es könnte, denkt sie, eine schreckliche Schönheit darin liegen, wie auf einem Eisfeld oder in einer Wüste früh am Morgen." (Michael Cunningham, Die Stunden, S. 150)
Dostoevskij,
30.05.07, 21:00 ,
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Flug 2039 Flug 2039 von Chuck Palahniuk, z.B. auf Literaturschock rezensiert oder auf der deutschen Webseite des Autoren.
miriam.von.k,
12.04.07, 23:10 ,
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pessoa, das buch der unruhe Als man mir gestern erzählt hat, der Angestellte des Tabakladens habe Selbstmord begangen, kam mir das wie eine Lüge vor. Der Ärmste, er hat also ebenfalls existiert! Wir hatten das ganze vergessen, wir alle, wir alle, die ihn auf die gleiche Weise kannten wie alle, die ihn nicht kannten. Morgen werden wir ihn desto besser vergessen. Daß er aber eine Seele hatte, steht fest, denn schließlich hat er sich umgebracht. Aus Leidenschaft, aus Angst? Ohne Zweifel... Doch für mich wie für die ganze Menschheit ist nur die Erinnerung an ein dümmliches Lächeln über einen gemusterten, angeschmutzten und an den Schultern schief sitzenden Jackett übrig geblieben. Das ist alles was ich behalten habe von jemandem, der so stark gefühlt hat, daß er sich vor lauter Gefühl das Leben genommen hat, denn aus einem anderen Grunde bringt sich ja wohl niemand um... (Fernando Pessoa: Das Buch der Unruhe des Hilfbuchhalters Bernado Soares, S. 171)
katasta,
26.02.07, 13:53 ,
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Timm, Kerbels Flucht Allen haftete etwas Besonderes, Einmaliges an. Eine Studentin war von einem zwanzigstöckigen Hochhaus auf eine belebte Straße gesprungen. Zuvor hatte sie sich oben auf dem Dach die Pulsadern aufgeschnitten. Was für ein Spektakel. Es heißt, die Bekanntschaft der Studentin hätten keinerlei Anzeichen bemerkt, die auf die Tat einen Hinweis gegeben hätten. So mußte sie sich auf eine belebte Straße stürzen. (Uwe Timm: Kerbels Flucht, S. 73)
Dostoevskij,
31.12.06, 09:46 ,
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Dostoevskij, Traum... Als ich auf der Straße an das Erlöschen der Gasbeleuchtung dachte, blickte ich zum Himmel auf. Er war unheimlich dunkel, doch deutlich konnte man hellere, zerrissene Wolken unterscheiden und zwischen ihnen bodenlose schwarze Flecke. Plötzlich bemerkte ich in einem dieser Flecke einen kleinen Stern: ich blieb stehen und betrachtete ihn aufmerksam. Ich tat es nur, weil mir dieser kleine Stern einen Gedanken eingab: ich beschloß, mich noch in derselben Nacht zu erschießen. Das hatte ich schon vor zwei Monaten fest beschlossen, und wie arm ich auch war, ich hatte mir doch einen schönen Revolver gekauft und ihn noch am selben Tage geladen. Und doch waren seitdem schon zwei Monate vergangen und er lag immer noch in meinem Schubfach; es war mir alles dermaßen einerlei, daß ich einen Augenblick, in dem mir nicht alles so einerlei sein würde, abwarten wollte, warum - weiß ich nicht. Und so kam es denn, daß ich in diesen zwei Monaten in jeder Nacht auf dem Heimwege glaubte, ich würde mich in dieser Nacht erschießen. Ich wartete immer auf den Augenblick. Und plötzlich gab mir dieser kleine Stern den Gedanken, und ich beschloß, daß es unbedingt in dieser Nacht geschehen sollte. Warum mir aber der kleine Stern diesen Gedanken eingab, das weiß ich nicht. (Fedor M- Dostoevskij: Traum eines lächerlichen Menschen)
Dostoevskij,
19.08.06, 23:29 ,
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Balzac, Eine Evastochter Er bringt sich nicht um, es mißlingt ihm. Ein mißlungener Selbstmord ist genauso lächerlich wie ein Duell ohne Schramme. (Honore de Balzac: Eine Evastochter)
Dostoevskij,
20.07.06, 17:46 ,
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Geklaut beim Salbader
Hinweis in eigener Sache Das Weblog Freitod definiert schon mit seinem Namen das Thema, das es enthält: Aspekte des Suizids sollen in gesellschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht erörtert werden. Freitod ist ein kollaboratives Weblog, das allen registrierten Antville-Usern ermöglicht, sich zu beteiligen, indem sie entweder Einträge verfassen oder Kommentare zu den Einträgen schreiben können. Abgrenzend sei gesagt, dass nicht um Sinn und Daseinsberechtigung des Freitodes diskutiert werden soll und dass es sich auch nicht um ein Selbshilfeforum für Gefährdete oder betroffene Angehörigen handelt. Suchen Sie Erste Hilfe, ob selbst oder für eine Freundin oder einen Freund dann probieren Sie diesen Link oder diesen Link (Österreich) aus oder diesen pragmatischen Hinweis: "Nur nicht heute."
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Zuletzt aktualisiert: 20.05.2024, 20:24 Uhr Amok
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geht es? Er sei ausgewandert, im Jahr 1900. Habe Frau...
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Pandemie & Verschwörung "Wenn du
dich impfen läßt, begehe ich Selbstmord." Veritas, eine Beratungsstelle für...
by Dostoevskij (18.01.22, 19:13)
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