Freitod - Weblog zum Selbstmord
[mit unsäglich origineller GIF-Animation]
 


Stadler

Es gab Menschen, die daran glaubten und so lebten, als ob es schön wäre, zu leben. Doch einmal zu den Bahngeleisen hinüberlaufen und sich durch einen Sprung retten! - Immer wieder gab es Menschen, denen dies trotz schärfster Aufsicht von Aufsehern, die bestellt waren, Menschen, die nicht hier bleiben wollten, hier festzuhalten, gelang. Denn immer wieder gab es Menschen, die alle jene beschämten, die behaupteten, ein glückliches Leben zu führen, und daß das Leben doch ein wunderbares Geschenk sei. Immer wieder gab es auch diese Menschen, die die anderen, die angeblich ein glückliches Leben führen, mit ihrem Sprung in die Freiheit beschämten und einen Weg fanden, der sie rettete, auch wenn die "Anleitung zum Selbstmord" auf dem Staatsindex der verbotenen Bücher stand und längst aus dem Verkehr gezogen worden war. (Arnold Stadler: Ein hinreißender Schrotthändler, S. 213)


 

Gleise ziehen Selbstmörder anscheinend magisch an

Studien weisen auf das Problem der Nachahmung hin
Von Rainer Funke
472 Suizide gab es nach jüngsten Angaben des Statistischen Landesamtes anno 2000 in unserer Stadt. 1999 waren es 483 gewesen. Der Trend eines leichten, aber mit Schwankungen stetigen Absinkens seit einem Dutzend Jahren hält an.
Die meisten der Lebensmüden bringen sich nach schweren psychischen Konflikten mit einer Überdosis von Arzneimitteln bzw. Drogen um, stürzen sich in die Tiefe oder erhängen sich. Auffällig ist, dass man sich immer häufiger in selbstmörderischer Absicht vor einfahrende U- und S-Bahn-Züge wirft oder dasselbe irgendwo auf der Strecke tut. »Gleisanlagen scheinen auf Menschen, die mit dem Leben abschließen wollen, eine besondere Anziehungskraft auszuüben«, meint man dazu bei der Berliner Feuerwehr.
Sind Suizide an sich tragisch genug, so ist besonders der Selbstmord auf der Schiene von beträchtlichen Folgeerscheinungen geprägt. Fahrgäste versuchen, im Schock aus der S- oder U-Bahn zu flüchten und begeben sich dadurch selbst in Lebensgefahr. Strecken müssen oft über Stunden gesperrt werden. Für Polizisten, Feuerwehrleute und Bahnmitarbeiter, die den Suizid sehen oder seine Folgen beseitigen müssen, haben solche Einsätze nicht selten traumatische Weiterungen, die von Fall zu Fall zwangsläufig eine psychologische Behandlung nach sich ziehen. Allein beim für die Bahnen zuständigen Bundesgrenzschutz in Berlin mussten seit Anfang 2000 über 200 Beamte auf solche Art betreut werden. Der Selbstmörder suche vor dem Sprung den Augenkontakt zum Triebwagenfahrer – ein Bild, das der nie mehr vergessen könne und ihn unter Umständen zeitlebens untauglich für seinen Beruf mache, wie ein BVG-Angehöriger gestern vor der Presse sagte.
Bei BVG und S-Bahn müht man sich derweil um Prävention. Es werden Plakate ausgehängt und die Mitarbeiter geschult, was zu tun ist, wenn einer sich in auffälliger Weise verhält. Immerhin konnten so bei der BVG seit 1997 in 140 Fällen Leute von ihrem Suizid-Vorhaben abgehalten werden. Aber die Möglichkeiten, Selbsttötungen am Orte zu verhindern, bleiben freilich eher gering. Studien in Wien und München weisen unterdessen darauf hin, dass es sich bei einem erheblichen Teil der Suizide auf Bahngelände um Nachahmungstaten handelt. Was meint, dass solche Selbstmorde vielfach in kurzer Folge vorkommen. Als kurzer Abstand zählt noch eine Woche.
Auch in Berlin lassen sich nach Ansicht von BVG und BGS solche Auffälligkeiten feststellen. Im August 2001 gab es beispielsweise Schienen-Selbstmorde am 4., 5. und 7., im Dezember am 13., 23., 26. und 28. Ob dies unbedingt auf einen Nachahmungseffekt zurückzuführen ist, bleibt allerdings strittig, unter anderem deshalb, weil der Zufall mitregiert und die Selbstmordrate um Feiertage herum immer nach oben schnellt, wenn sich manche Menschen besonders einsam fühlen und sich so ihre psychischen Probleme potenzieren. In diesem Zusammenhang wurden die Medien gemahnt, behutsam und zurückhaltend mit dem Thema umzugehen. In Wien habe sich durch eine gewisse Selbstbeschränkung der Medien die Bahn-Selbstmordrate in zehn Jahren halbiert. Und auch in München ließe sich ein solcher Trend absehen, hieß es.

(
ND 04.07.02)

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freitod? selbstmord? was denn nun?

wieso selbstmord? glaubst du an gott, glaubst du, nur gott darf ueber deinen tod bestimmen, glaubst du, die entscheidung, sich zu töten, waere ein mord an sich selbst und muesste gesühnt werden. - hast du deinen eigenen freitod eigentlich schon terminiert? ;-) ich meine, diese thematik wird doch sicher keiner ueber längere zeit aushalten, vor allem nicht, wenn er sich taglich diese unsäglich originelle gif-animation anschauen muss. eg -

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gesühnt oder nicht...

wer sich auf die Schienen schmeisst, oder einen tod wählt, bei dem andere in Mitleidenschaft gezogen werden, sollte auf jeden Fall bestraft werden, falls es nach dem Tod noch etwas gibt.

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Hey Ralph,

nichts gegen das Gif, gell ;-) Das ist eigentlich ein Daumenkino von Herrn Auge Lorenz, und als solches war es etwas, naja, weniger penetrant. (Andrerseits hatte das Daumenkino auch nicht diese Dimension der ewigen Wiederauferstehung.) Selbstmord? Freitod? Beides beknackte Propagandabegriffe. Der eine hantiert mit Moral, der andere mit einer Vorstellung von Freiheit, die nur der im Suizid sehen kann, der keine Ahnung hat. Von daher: warum nicht beides im Titel?

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lieber bov,

ich kann nix dafuer, aber diese "ewige wiederauferstehung" geht mir durch mark und bein. blut blut blut, schluck - naja, was die propaganda-begriffe angeht, da haste recht, die grosse freiheit ist in den meisten faellen mehr als übertrieben, is schon klar. also, freitod oder selbstmord, ganz egal, nur weiter so, ihr forscher ;-)

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Naja, "Nicht unmittelbar fremdverschuldeter Tod ohne natürliche Ursachen - Weblog zu Kultur und Geschichte desselben" macht sich als Weblogtitel wohl nicht so gut.

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es war (jedenfalls meinerseits) nicht intendiert, das hier oben von katatonik präzise definierte phänomen einer ethischen, theologischen etc. bewertung zu unterziehen. mich interessieren die kalten tatsachen, statistiken, ursachenforschung, mediale repräsentation in kultureller und historischer perspektive, blabla, es ist spät. alles indirekte und empirische, und das ist ohnehin schon ein blödsinnig umfangreiches subject, soll, so meine (!) vorstellung, hier gesammelt werden können. ich käme nicht drauf, was an dieser thematik unaushaltbar sein sollte. persönliche stellungnahmen dazu, ob selbstmörder/freitöter nachträglich empathie oder verachtung verdienen und wie man sie daher bevorzugt zu nennen habe, habe ich hier gar nicht erwartet, finde ich ohne kenntnis des einzelfalls tendenziell anmassend und werden von mir beschwiegen. und als adminkappenträger: ich fand den titel auch nicht soo umwerfend, dachte aber, man müsste vermitteln, dass hier weniger der ort für "methodendiskussionen" sein soll. vorschläge werden gern empfangen.

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übrigens

finde ich das gif sehr schön. nur so nebenbei.

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Geklaut beim Salbader
Geklaut beim Salbader

Hinweis in eigener Sache
Das Weblog Freitod definiert schon mit seinem Namen das Thema, das es enthält: Aspekte des Suizids sollen in gesellschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht erörtert werden. Freitod ist ein kollaboratives Weblog, das allen registrierten Antville-Usern ermöglicht, sich zu beteiligen, indem sie entweder Einträge verfassen oder Kommentare zu den Einträgen schreiben können. Abgrenzend sei gesagt, dass nicht um Sinn und Daseinsberechtigung des Freitodes diskutiert werden soll und dass es sich auch nicht um ein Selbshilfeforum für Gefährdete oder betroffene Angehörigen handelt.

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