Freitod - Weblog zum Selbstmord
[mit unsäglich origineller GIF-Animation]
 


Radetzkymarsch III

"»Hierbleiben!« wiederholten die Offiziere. Die durstigen Männer aber waren nicht zu halten. Einzeln zuerst, dann in Gruppen, liefen die Männer den Abhang hinan; Schüsse knallten, und die Männer fielen. Die feindlichen Reiter jenseits des Bahndammes schossen auf die durstigen Männer, und immer mehr durstige Männer liefen dem tödlichen Brunnen entgegen. Und als sich der zweite Zug der zweiten Kompanie dem Brunnen näherte, lag schon ein Dutzend Leichen auf dem grünen Abhang.

»Zug halt!« kommandierte Leutnant Trotta. Er trat seitwärts und sagte: »Ich werde euch Wasser bringen! Daß keiner sich rührt! Hier warten! Eimer her!« Man brachte ihm zwei Eimer aus wasserdichtem Leinen von der Maschinengewehrabteilung. Er nahm beide, je einen Eimer in jede Hand. Und er ging den Abhang hinauf, dem Brunnen zu. Die Kugeln umpfiffen ihn, fielen vor seinen Füßen nieder, flogen an seinen Ohren vorbei und an seinen Beinen und über seinen Kopf hinweg. Er beugte sich über den Brunnen. Er sah auf der anderen Seite, jenseits des Abhangs, die zwei Reihen der zielenden Kosaken. Er hatte keine Angst. Es fiel ihm nicht ein, daß er getroffen werden könnte wie die anderen. Er hörte schon die Schüsse, die noch nicht gefallen waren, und gleichzeitig die ersten trommelnden Takte des Radetzkymarsches. Er stand auf dem Balkon des väterlichen Hauses. Unten spielte die Militärkapelle. Jetzt hob Nechwal den schwarzen Taktstock aus Ebenholz mit dem silbernen Knauf. Jetzt senkte Trotta den zweiten Eimer in den Brunnen. Jetzt schmetterten die Tschinellen. Jetzt hob er den Eimer hoch. In jeder Hand einen vollen, überquellenden Eimer, von den Kugeln umsaust, setzte er den linken Fuß an, um hinabzugehen. Jetzt tat er zwei Schritte. Jetzt ragte gerade noch sein Kopf über den Rand des Abhangs.

Jetzt schlug eine Kugel an seinen Schädel. Er machte noch einen Schritt und fiel nieder. Die vollen Eimer wankten, stürzten und ergossen sich über ihn. Warmes Blut rann aus seinem Kopf auf die kühle Erde des Abhangs. Von unten her riefen die ukrainischen Bauern seines Zuges im Chor: »Gelobt sei Jesus Christus!«"

Josph Roth, Radetzkymarsch, 21. Kapitel.


 

Geklaut beim Salbader
Geklaut beim Salbader

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