Freitod - Weblog zum Selbstmord
[mit unsäglich origineller GIF-Animation]
 


Tod, Liebe und Wellen

ist eine Erzählung von Yasushi Inoue überschrieben, die sich um einen gescheiterten Geschäftsmann und eine betrogene, junge Frau dreht, die sich dazu entschlossen haben, ihrem Leben ein Ende zu setzen und sich in einem Hotel an einer Steilküste in Japan begegnen.

35 Seiten dezidierte und kühle Suizidvorbereitung, die am Ende klärt, was am Leben noch entscheidender sein kann...


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Genazino, Außer uns...

Ich machte mir klar, dass Selbstmord ein undurchschaubarer Vorgang ist. Jeder kannte aus seinem eigenen Leben hoffnungslose Situationen, auf die ein Selbstmord eine Antwort hätte sein können. Aber rätselhaft war nicht, warum es Selbstmörder gab. Rätselhaft war, warum so viele Menschen ihre schwierigen Existenzen aushielten, ohne Selbstmörder zu werden. (Wilhelm Genazino: Außer uns spricht niemand über uns)


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Aus: Lenz von Georg Büchner

"Oberlin sprach ihm von Gott. Lenz wand sich ruhig los und sah ihn mit einem Ausdruck unendlichen Leidens an, und sagte endlich: aber ich, wär' ich allmächtig, sehen Sie, wenn ich so wäre, und ich könnte das Leiden nicht ertragen, ich würde retten, retten, ich will ja nichts als Ruhe, Ruhe, nur ein wenig Ruhe und schlafen können. Oberlin sagte, dies sei eine Profanation. Lenz schüttelte trostlos mit dem Kopfe. Die halben Versuche zum Entleiben, die er indes fortwährend machte, waren nicht ganz Ernst, es war weniger der Wunsch des Todes, für ihn war ja keine Ruhe und Hoffnung im Tod; es war mehr in Augenblicken der fürchterlichsten Angst oder der dumpfen an's Nichtsein grenzenden Ruhe ein Versuch, sich zu sich selbst zu bringen durch physischen Schmerz. Augenblicke, wenn sein Geist sonst auf irgend einer wahnwitzigen Idee zu reiten schien, waren noch die glücklichsten. Es war doch ein wenig Ruhe und sein wirrer Blick war nicht so entsetzlich, als die nach Rettung dürstende Angst, die ewige Qual der Unruhe! Oft schlug er sich den Kopf an die Wand, oder versetzte sich sonst einen heftigen physischen Schmerz." (Projekt Gutenberg)


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Kühne, Düsterbusch City Lights

Der Weltschmerz nahm von mir Besitz. Ich dachte an die Pistole von Connys Vater. Mit einem kleinen Loch in der Schläfe vor der Linde sitzen. Dann würden all die Arschlöcher das Heulen kriegen und sich fragen, was sie mir angetan hatten. Abgesehen von Hartmann und dem Offizier. Die Gesichter auf der Beerdigung hätte ich mir gerne angeguckt. Würde Conny kommen, mit dem Baby im Bauch? Und Sprenzel? Er würde es nicht verstehen. Um ihn tat es mir leid, und um meine Mutter. Sie könnte auch gar nicht so lange stehen auf dem Friedhof mit ihren Beinen. Trotzdem gefiel mir die Vorstellung des Freitods. Alles wäre plötzlich einfach. Mangels Pistole gab es ja noch eine andere Möglichkeit, bei der nicht so viel von mir übrig blieb. Ich fuhr die Kirchhausener Bahnstrecke entlang. Den Weg, den ich früher nach Bad Berta radelte, als noch alles schön war. Auf einmal hatte ich Maybes Duft in der Nase. Was machte sie wohl gerade? Dachte sie an mich? Ich hatte mal irgendwo gelesen, dass in dem Augenblick, in dem ein Selbstmörder zur Tat schreitet, alle an ihn denken. Ob das auch für Himmler galt? (Alexander Kühne: Düsterbusch City Lights)


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Collins, Blinde Liebe

Unser Freund wußte nicht, wie man sich mit einem Messer die Kehle ordentlich abschneidet. Sie brauchen mich nicht so finster anzusehen, Miß Henley, ich scherze nicht! Für einen Selbstmörder, mit einem Rasirmesser in der Hand, ist meistenteils etwas sehr günstig – er hat keine Ahnung von der Anatomie, und das ist auch bei Lord Harry der Fall gewesen. (Wilkie Collins: Blinde Liebe)


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Melle, Selbstmordklinik

Die Schauspieler improvisierten täglich und boten Figurenaspekte und Plotfragmente an, die ich sofort aufnahm und nächtens umsetzte. Als Szenario hatte ich gegen manchen Widerstand eine Selbstmordklinik durchgesetzt, das "Haus zur Sonne", eine Institution, die sowohl staatliche Menschenabschaffungsanlage als auch utopische Wunscherfüllungsmaschine in sich vereinte. Jeder der "Klienten", denen das Privileg zuteil wurde, dort seine letzten Wochen oder Monate zu verbringen, sah etwas anderes in dieser als Klinik oder Reha-Maßnahme getarnten Selbstmordfabrik: eine Beautyfarm, ein Mekka der plastischen Chirurgie die eine, ein allumfassendes Strategiespiel der andere, ein großes, letztes Dating-Portal die dritte. Was jedoch allen Figuren klar war: Der Staat hatte die Kosten hochgerechnet, die die Menschen, welche aus eigener Kraft nichts mehr leisten konnten, in Zukunft noch anhäufen würden, und war zu dem Schluss gekommen, dass es humaner wie auch ökonomischer sei, eine Option anzubieten, die es ermöglichte, bei maximaler Wunscherfüllung freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Simulationen waren dabei meist das Mittel der Wahl. Eine große Fiktionsmaschine war dieser Entwurf, eine morbide, launige Sci-Fi-Dystopie voller Hedonismus und Nihilismus. (Thomas Melle: Die Welt im Rücken)


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Mauriac, Der Jüngling Alain

Mama sah genau, daß ich litt. (...) Sie ahnte nicht im entferntesten, daß sie nie zuvor dem so nahe gwesen war, was für sie den Gipfelpunkt alles Unglücks bedeutet hätte; daß sie ihm nie so nahe gewesen ist wie zwischen den Augenblicken der Linderung, des Aufatmens, die mir immer noch vergönnt sind. Was ich hier schreibe, schreibe ich nur für dich, nicht einmal Donzac wird es lesen, denn es gibt nichts Schmählicheres, nichts Verächtlicheres, als zu behaupten, sterben zu wollen, und nicht zu sterben. Ein fehlgeschlagener Selbstmordversuch ist schon suspekt; aber nicht einmal imstande zu sein, es bis zu einem Fehlschlag zu bringen...! Besser, man verschafft den anderen nicht das Vergnügen, darüber spotten zu können. Während dieser gemeinsam mit Mama verlebten Wochen, in denen sie, selbst heiter und friedlich, mir alles zu erleichtern suchte und sich rührend bemühte, mich wenigstens bei Pilzen und Krebsen zum Essen zu bewegen, gelangte ich zu der Überzeugung, daß mich nur meine Unbeholfenheit vor dem Tod bewahrt hatte. "Du weißt mit deinen Händen nichts anzufangen", hat Mama mir oft vorgeworfen, "du würdest nicht einmal zum Gepäckträger taugen!" Nein, und nicht einmal dazu, mich zu töten. Die Lagune von la Techoueyre ist heute nicht mehr tief genug. Und was Gift anlangt... was kann man in einer Apotheke schon ohne Rezept kaufen? Zu feig, den Tod Anna Kareninas unter einem Eisenbahnzug zu suchen, zu feig, mich in einen Abgrund zu stürzen, zu feig, auf einen Abzug zu drücken... Das sonderbarste ist, daß das einzig Notwendige für mich, der Glaube an das ewige Leben, kaum ins Gewicht fiel. Wenn ich an die Definitionen des Kleinen Katechismus, an die Interdikte der Kasuisten denke, scheint es mir, als vernähme ich ein Gelächter, das sich darüber mokiert: Diese Dummköpfe stellen das freiwillige Verlassen der Welt einem Mord gleich... Erstens ist es nicht freiwillig, da uns dieser Drang eingepflanzt ist wie alles, was uns von der Gebut bis zum Tod nach und nach tötet. (Francois Mauriac: Der Jüngling Alain)


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Remarque, Die Nacht von Lissabon (2)

"Die Möglichkeit zum Selbstmord ist eine Gnade, deren man sich nur selten bewußt wird. Sie gibt einem die Illusion des freien Willens. Und wahrscheinlich begehen wir mehr Selbstmorde, als wir jemals ahnen. Wir wissen es nur nicht." "Das ist es!" sagte Schwarz lebhaft. "Wenn wir sie nur als Selbstmorde erkennen würden! Dann hätten wir die Fähigkeit, auch wieder von den Toten aufzuerstehen. Wir könnten mehrere Leben leben, anstatt die Geschwüre der Erfahrung von einer Krise zur anderen weiterzuschleppen und schließlich daran einzugehen." (Erich Maria Remarque: Die Nacht von Lissabon)


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Remarque, Die Nacht von Lissabon (1)

... die Zeit vor dem Münchner Pakt. Die Agonie der Angst. Ich versteckte und verteidigte mich zwar noch automatisch, aber ich hatte abgeschlossen. Es würde Krieg geben, und die Deutschen würden kommen und mich holen. Das war mein Schicksal. (...) "Es war die Zeit der Selbstmorde. Sonderbar, als die Deutschen eineinhalb Jahre später wirklich kamen, waren die Selbstmorde seltener." (Erich Maria Remarque: Die Nacht von Lissabon)


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Lucia Berlin, Stories

Die Abschiedsbriefe, die sie in all den Jahren schrieb, immer an mich, waren meistens Witze. Als sie sich die Pulsadern aufschnitt, unterschrieb sie mit Bloody Mary. Nach einer Überdosis schrieb sie, sie hätte es ja mit einem Strick versucht, aber den Dreh nicht rausbekommen. (Lucia Berlin: Was ich sonst noch verpasst habe. Stories)


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Berlin, Lucia: Stories (1)

Trinker und Selbstmörder beschlagnahmen stundenlang dringend benötigte Räume und Schwestern. (...) Trinker sind immer allein. Selbstmörder werden von mindestens einer Person begleitet, oft von vielen. Was vermutlich Sinn und Zweck der Sache ist. Auf jeden Fall von zwei Polizeibeamten aus Oakland. Endlich habe ich verstanden, warum Selbstmord als Verbrechen gilt. (...) Es gibt "gute" Selbstmorde. Oft "gute Gründe", wie eine tödliche Krankheit, Schmerzen. Aber mich fasziniert eine gute Methode mehr. Kugel in den Kopf, ordnungsgemäß aufgeschnittene Pulsadern, anständige Schlafmittel. Selbst, wenn sie scheitern, scheint von diesen Menschen ein Friede, eine Stärke auszugehen, die von einer wohlüberlegten Entscheidung herrührt. Es sind die Wiederholungen, die mir zusetzen – die vierzig Penicillintabletten, die zwanzig Valium und eine Flasche Hustensaft. Ja, mir ist klar, statistisch gesehen haben Menschen, die damit drohen, sich umzubringen, irgendwann Erfolg. Ich bin überzeugt, dass es dann immer ein Unfall ist. John, der normalerweise um fünf Uhr nachmittags nach Hause kommt, hat einen Platten und kann seine Frau nicht mehr rechtzeitig retten. Ich habe auch den Verdacht, dass in einigen Fällen Totschlag vorliegt, der Ehemann oder ein anderer Dauerretter sind es schließlich leid geworden, schuldbewusst im allerletzten Moment noch aufzutauchen. (Lucia Berlin: Was ich sonst noch verpasst habe. Stories)


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Johnson, Jahrestage (2)

Es ging die Bürger von Jerichow gar nichts an, wie Lisbeth Cresspahl gestorben war. Der Selbstmord sei nicht vor Menschen oder aus moralischen Gründen verwerflich. Es sei eine Sache zwischen Lisbeth und ihrem Gott, daß sie von ihm mehr erwartet habe, als er habe geben wollen. Sie sei zum Sterben so frei gewesen wie zum Leben, und wenn sie auch besser das Sterben ihm überlassen hätte, so habe sie doch ein Opfer angeboten für ein anderes Leben, den Mord an sich selbst für den Mord an einem Kind. Ob das ein Irrtum gewesen sei, werde sich nicht in Jerichow herausstellen. (...) Hingegen ging es die Bürger von Jerichow sehr wohl an, daß Lisbeth Cresspahl gestorben war. Sie hatten mitgewirkt an dem Leben, das sie nicht ertragen konnte. (Uwe Johnson: Jahrestage 2)


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Johnson, Jahrestage (1)

Gewiß verbietet die Bibel den Selbstmord nicht ausdrücklich. Aber es ist an die Stelle des Verbots der Gnadenruf an den Verzweifelten gesetzt. Es war nun einmal so, daß der Selbstmord die Reue unmöglich machte, und damit die Vergebung. (...) Er suchte nach dem Beweis dafür, daß Gott sich das Recht über das Ende des Lebens selbst vorbehalten habe, weil ihm allein bekannt sei, zu welchem Ende er dies Leben führen werde. (...) Wenn Gott den Selbstmord nicht verbietet, führt er nicht dem Verzweifelten die Hand, wenn er ein solches Ende zuläßt? Wenn Gott das Recht des Lebens selbst wahrnimmt, ist nicht auch dessen Ende Auftrag Gottes? (Uwe Johnson: Jahrestage 2)


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Geklaut beim Salbader
Geklaut beim Salbader

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Das Weblog Freitod definiert schon mit seinem Namen das Thema, das es enthält: Aspekte des Suizids sollen in gesellschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht erörtert werden. Freitod ist ein kollaboratives Weblog, das allen registrierten Antville-Usern ermöglicht, sich zu beteiligen, indem sie entweder Einträge verfassen oder Kommentare zu den Einträgen schreiben können. Abgrenzend sei gesagt, dass nicht um Sinn und Daseinsberechtigung des Freitodes diskutiert werden soll und dass es sich auch nicht um ein Selbshilfeforum für Gefährdete oder betroffene Angehörigen handelt.

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