Freitod - Weblog zum Selbstmord [mit unsäglich origineller GIF-Animation] |
Mittwoch, 29. Oktober 2014
Viktor Staudt bewirbt derzeit sein Buch "Die Geschichte meines Selbstmords: und wie ich das Leben wiederfand", das gerade in deutscher Sprache erschienen ist, u.a. z.B. hier in der WDR-Talkshow Kölner Treff. Seine Geschichte ist - naturgemäß schon thematisch - tragisch, für die Presse umso mehr ein gefundenes Fressen, als er beim Sprung vor den Zug beide Beine verlor. Seine Beweggründe für das Buch: "Falls nur ein einziger Mensch sich nach der Lektüre dieses Buch entscheidet, Hilfe zu suchen, anstatt Hand an sich zu legen, habe ich mein Ziel erreicht“. Allein, ob ihm das so gelingt, wie er sich das vorstellt, ob das intentional hochgelobte Werk diesem Anspruch gerecht werden kann? Marianne Kestler, die das Buch in einem Kommentar bei Amazon vorab auch inhaltlich zusammengefasst hat, sieht das kritisch. Eine weitere, pseudonyme Kommentatorin fasst Zweifel und Bedenken noch deutlicher: Schöne Worte, aber nicht angebracht: Von "exzellentem Umgang" kann hier keine Rede sein. Eine konkrete Beschreibung der letztendlichen Lösung erfolgt gerade mal ab Position 95% des Buchs (Kindle lässt grüßen ...): Als Viktor bei einer Hausärztin endlich ein für ihn wirksames Antidepressivum verschrieben bekam. Auch die Diagnose Borderline, die angeblich für die Depressionen mitursächlich ist, kommt in meinen Augen ein klein wenig vage daher - Staudt zeigt zwar immer wieder Teile davon, aber tun wir das nicht alle? Gut: Das Buch sollte natürlich nicht zur Fremddiagnose oder Spekulation einladen. Letzten Endes dient eine Diagnose ja auch nur dazu, einen geeigneten Behandlungsplan zu entwerfen. Dieser fehlt aber irgendwie: Wie's psychotherapeutisch weitergeht, etc., da findet man wenig bis gar nichts. Fast schon zynisch mutet deshalb der Schluss-Satz des Hauptwerks an, in dem der Autor über sich selbst schreibt: "Und er lebte noch lange, glücklich und zufrieden." Kurzum: Das Buch ist wirklich toll geschrieben und erzählt die Geschichte eines Mannes, der trotz seiner zahlreichen inneren Dämonen weitaus mehr Kraft und Energie hat, als er wohl selbst merkt. Man möchte ihm zum Schluss hin fast schon Mut zusprechen und von Herzen alles Gute für seinen weiteren Lebensweg wünschen - verdient hat er es! Für Menschen, die in einer akuten Krise stecken und sich mit suizidalen Gedanken herumschlagen, betrachte ich das Buch [aber] als völlig kontraindiziert... Die Lektüre ist jedenfalls und sicherlich keine "Aufbauliteratur", das "neue" Leben vielleicht für den Autor eine Besserung gegenüber seiner früheren, chronischen Suizidalität. Gesunde Lebensfreude sieht meiner Meinung nach gleichwohl anders aus. Es verbleibt ein wenig der Eindruck: "Nimm rechtzeitig das richtige Antidepressivum und das Problem ist im Wesentlichen gelöst..." - dabei hat die Aufarbeitung durch den Autor jedenfalls in literarischer Form wohl tatsächlich erst begonnen: Nach seiner Antwort auf diese kritische Anmerkung [die offenbar zwischenzeitlich gelöscht ist: Stand 15.11.2014, dazu die Kommentare unten] ist eine Fortsetzung offenbar bereits in Arbeit.
simons,
29.10.14, 06:41 ,
Literaturhinweise
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Geklaut beim Salbader
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